10.03.2021

Weltfrauentag 2021 - Claudia Paulus im Interview

Im Rahmen des Weltfrauentags 2021 treten starke Frauen vor den Vorhang. Das Diakoniewerk wird bereits seit mehr als 145 Jahren von Frauen bewegt, mitgestaltet und weiterentwickelt. In Seminaren und Workshops stehen auch immer wieder Frauen im Fokus.

Im Gespräch Claudia Paulus, Geschäftsführerin Diakoniewerk Steiermark, über die Gesellschaft und ein neues Mindset über Gleichberechtigung, Feminismus und die Rolle der Frau im 21. Jahrhundert.

 

„Nicht die Frauen müssen sich ändern, sondern die Spielregeln“ (Iris Bonet, Dekanin der Havard Kendney University)

Welche Emotionen löst dieses Zitat in Ihnen aus?

Zustimmung! Und da geht es nicht nur um Sitzungstermine nach 17 Uhr, sondern maßgeblich um die Akzeptanz von unterschiedlichen Arbeitsweisen und Qualitäten.

 

Warum gibt es im Weiterbildungsprogramm des Diakoniewerks ein eigenes Seminar zum Thema „Frauen bewegen das Diakoniewerk"? (--> Link zum Seminar)

Frauen gehen intuitiver an Themen heran, nehmen stärker den Menschen hinter der Funktion wahr und haben einen anderen Erfahrungshintergrund, aus dem sie neben ihrer Fachkompetenz schöpfen können. Es ist leider immer noch so, dass Frauen stärkerer Bewertung unterliegen, seien sie noch so kompetent.

Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass Frauen viel weniger zugetraut wird. Es gibt weniger Wettbewerbs- und Konkurrenz-Denken. Frauen suchen stärker das Verbindende, hören bei Entscheidungen auf ihr Bauchgefühl, reflektieren sich und ihre Arbeit stärker.

 

Im Diakoniewerk haben die Diakonissen die Organisation mit ihrem Willen und ihrem Mut, ihrem Sinn und Auftrag auf Augenhöhe geprägt. Uns ist es wichtig, diesen weiblichen Wurzeln auf die Spur zu gehen. Gleichzeitig merken wir heute, dass wir neu dazulernen können. Deshalb möchten wir in diesem Workshop einen gemeinsamen Entdeckungsraum mit Frauen des Diakoniewerks öffnen, um verschiedenste Perspektiven zu beleben.

 

Die Diakonissen, als maßgebliche Wegbereiterinnen der sozialen Arbeit, prägen das Diakoniewerk bis heute – wie wird ihre Arbeit für Sie heute noch spürbar?

Die Diakonissen waren aufrechte, mutige und auf ihre Art auch widerständige Frauen, die ihren Weg unbeirrt und überzeugt gegangen sind, die sich auch in schweren Zeiten für andere Menschen einsetzten. Diese Haltung zieht sich immer noch durch.

 

Welchen Stellenwert haben Frauen aus Ihrer Sicht im Diakoniewerk?

Frauen tragen die Organisation ganz wesentlich, vor allem in der direkten Arbeit mit den Menschen, die wir begleiten, und das tagtäglich! Die Arbeit im Sozial- und Pflegebereich ist weit vielfältiger und komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Frauen sind nicht nur Betreuerinnen und Pflegepersonen, sondern sie sind Ideengeberinnen, Krisenmanagerinnen, Problemlöserinnen, Zuhörerinnen… Ohne diesem Zusammenspiel würde es nicht funktionieren. Mehr als 60 % der leitenden Positionen sind im Diakoniewerk durch Frauen besetzt. Aus meiner Sicht immer noch zu wenig. Hier haben wir eindeutig noch Luft nach oben.

 

Wenn sich eine junge Frau für einen sozialen Beruf entscheidet, was würden Sie ihr raten?

Junge Frauen sollten sich nicht von der immer noch gängigen Sicht auf den sozialen Beruf als „einfach“ und folglich auch „weniger wert“ abschrecken lassen. Der Beruf hat oftmals noch den Touch von „viel Kaffeetrinken und dazwischen schnell einmal Fiebermessen“, oft hört man auch „bewundernswert, wie ihr euch aufopfert“. Das ist nicht die Sichtweise, die wir vertreten!

Soziale Berufe sind anspruchsvoll, mit Verantwortung verbunden, ausbildungsintensiv. Sie bieten aber auch die Möglichkeit für persönliche Weiterentwicklung, für spannende Begegnungen, kein Tag ist wie der andere. Soziale Berufe sind sinnstiftende und somit auch befriedigende Aufgaben. Durch ein entsprechendes berufliches Selbstbewusstsein wird es uns auch gelingen, die Lust auf diesen Beruf stärker nach außen zu tragen.